Warum „Die Akte Kasia Lenhardt” eine Podcastserie wurde
Geschichten, die nicht erzählt werden sollen — das ist der Claim des neuen SPIEGEL-Podcasts „NDA”. In Staffel Eins geht es um den Fall Kasia Lenhardt und Vorwürfe mutmaßlicher Partnerschaftsgewalt. Ein gesellschaftlich hochrelevantes Thema, mit dem wir vor allem junge Hörerinnen erreicht und bewegt haben.
Wenn Frauen Vorwürfe gegen mächtige Männer erheben, stoßen sie auf viel Widerstand. Gerade wenn es dabei um Gewalt und Machtmissbrauch geht, brechen sie Tabus. Uns Journalist:innen stellen solche Vorwürfe juristisch und inhaltlich vor viele Herausforderungen. Welche privaten Details sind entscheidende Indizien? Was darf berichtet werden? Und wie berichten wir überhaupt?
Der SPIEGEL recherchiert den Fall Kasia Lenhardt seit drei Jahren, 2021 erschien erstmals ein Text dazu. Als die Idee entstand, den Fall mit Hilfe von bislang unveröffentlichten Sprachnachrichten, Akten und klinischen Befunden noch einmal tiefgreifend zu rekonstruieren, war schnell klar, dass hier nicht in erster Linie ein klassischer SPIEGEL-Text entstehen soll. Stattdessen wollten die Autorinnen das Thema als Podcast-Serie erzählen.
Kasia Lenhardt, die Ex-Freundin von Jérôme Boateng, nahm sich 2021 das Leben. Nun erhärten neue Dokumente Vorwürfe zu Gewalt in ihrer Beziehung mit dem Fußballstar. Jérôme Boateng bestreitet, Lenhardt jemals körperlich angegriffen zu haben.
Die Veröffentlichung der Recherche als Podcast bietet die Möglichkeit, durch die Sprachnachrichten die Verstorbene selbst zu hören. Der Fall kann in mehr als drei Stunden Hörzeit detaillierter aufgearbeitet werden als in einem Artikel.
Außerdem wollten wir mit dem Format Podcast ein jüngeres Publikum erreichen, das eher hört als liest und somit eine neue Zielgruppe für die investigative Stärke des SPIEGEL gewinnen.
Darum wurde bei der Recherche eine intensive Social-Media-Begleitung von Anfang an mitgedacht und es gab einen engen Austausch zwischen allen Beteiligten. Entstanden sind im Social-Media-Ressort so unter anderem Inhalte wie das Hochkantvideo „Hinter der Recherche“, das zeitgleich mit Veröffentlichung des Podcasts am 15. März erschienen ist.
In dem Video konnten Nutzerinnen und Nutzer mehr über die Arbeitsweise der Autorinnen Maike Backhaus und Nora Gantenbrink erfahren und den schwierigen Rechercheweg besser nachvollziehen.
Diese aufwendige Recherche und ihre detaillierte, aber sachliche Aufbereitung als Podcast, die Bekanntheit von Kasia Lenhardt (vor allem bei jungen Frauen) und die Begleitung auf den Social-Plattformen haben dazu geführt, dass „NDA: Die Akte Kasia Lenhardt” innerhalb weniger Wochen der reichenweitenstärkste Podcast des SPIEGEL geworden ist und mehr als drei Millionen Mal abgerufen wurde.
Interessant waren für uns einige Reaktionen auf TikTok. Sie zeigen, dass Hörerinnen durch den Podcast zum ersten Mal überhaupt die Marke SPIEGEL wahrgenommen und unseren Journalismus kennengelernt haben. Hinzu kommen User, die SPIEGEL.de zwar schon kannten, aber durch ein Probeabo, das sie abgeschlossen haben, um die Podcast-Folgen direkt komplett hören zu können, zum ersten Mal einen Eindruck von unserem Angebot hinter der Paywall bekommen haben.
Auf den Social-Media-Plattformen, hauptsächlich Instagram, erzielten die Beiträge rund um „NDA” Millionenreichweiten und zahlreiche Neuabonnements. Besonders interessant für den SPIEGEL: Neben hohen Abrufzahlen haben wir auf Instagram außergewöhnlich viele Menschen erreicht, die dem SPIEGEL bislang nicht folgten — und überdurchschnittlich viele junge Frauen (Alterskategorie 25 bis 34 Jahre).
Über unsere Social-Media-Inhalte haben wir nicht nur auf SPIEGEL.de verlinkt, sondern auch direkte Absprungmöglichkeiten zu Plattformen wie Spotify oder Apple angeboten. Die Klickzahlen hierzu zeigen im Vergleich, dass wir auf Social Media eine sehr Podcast-affine Zielgruppe erreichen, die überdurchschnittlich häufig auf die Links klickt. Über mehrere Wochen stand „NDA” an der Spitze der Podcast-Charts.
Außerdem haben viele Hörerinnen und Hörer in den sozialen Medien und im direkten Austausch mit der SPIEGEL-Redaktion auf den Podcast reagiert: Junge Frauen erzählen in Instagram-Posts, dass sie Muster erkennen, die sie selbst erlebt haben, und die sie nun besser verstehen. Anwältinnen und Mitarbeiter von Beratungsstellen haben dem Podcast-Team per Mail gedankt, dass „NDA” das Thema Partnerschaftsgewalt in den Fokus rückt. Und Gewaltbetroffene haben sich bei den Autorinnen gemeldet, weil ihnen der Podcast einen Anlass gegeben hat, um über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen.
Die große Resonanz zeigt, dass der Podcast eine gesellschaftliche Debatte über Partnerschaftsgewalt und Machtmissbrauch angestoßen hat. Und die unzähligen Reaktionen in den sozialen Medien demonstrieren, wie faktenbasierter Journalismus auch abseits der klassischen Medienkanäle für Einordnung sorgt. „Die Akte Kasia Lenhardt” ist die erste Staffel von „NDA”. Neue Recherchen in Form einer zweiten Staffel folgen in den nächsten Monaten.
Alle Folgen der ersten Staffel gibt es hier: https://www.spiegel.de/thema/nda-die-akte-kasia-lenhardt/